Ich möchte heute gern mein absolutes Lieblingsbuch in meiner Arbeit vorstellen.
Es ist hilfreich für Menschen, die selbst betroffen sind, aber auch für alle, die Eltern in dieser Situation begleiten. Ich lese es (in Auszügen) in jedem Leere Wiege Rückbildungskurs, weil es so greifbar macht und verbildlicht, wie es Eltern in der Trauer geht und gleichzeitig Wege und Möglichkeiten zeigt, ohne den Schmerz kleinzureden. Weil es Ausblick gibt und Einblick in die Anstrengung desTrauerprozesses.
Die Autorin Anke Keil ist selbst Sternenmutter und hat das Buch im Rahmen ihrer Trauerbegleiter-Ausbildung verfasst. Die Geschichte wird visuell ganz besonders mit Fotos von Gegenständen und Materialien illustriert. Frau Trauer jedenfalls ist plötzlich ungefragt und ungebeten eingezogen ist und ist alles andere als erwünscht.
Die trauernde Erzählerin versucht den ungebetenen Gast rauszuwerfen, aber Frau Trauer wird nur umso energischer. Sie bringt auch noch ihre Bekannten mit: Herrn Zorn, Frau Einsamkeit oder die schüchterne Angst. Die machen da ihr Kaffeekränzchen und die Geschichte zeigt so eindrücklich, was für ein Wirrwarr an Gefühlen die Trauer mit sich bringt. Die Geschichte entwickelt sich und es werden Wege sichtbar, mit Frau Trauer umzugehen. Sie bekommt einen Sessel und Regal für ihre ganzen Sachen, die sie immer dabei hat. Aus der Ohnmacht und Abwehr gegenüber wird nach und nach Akzeptanz. Der Blick auf Frau Trauer wandelt sich mit einer zunehmenden Auseinandersetzung mit ihr.
Ich lese nicht die ganze Geschichte im Kurs, aber wichtig ist mir immer, auch das Ende zu erzählen. Die trauernde Erzählerin beschreibt ein Jahr mit Frau Trauer und schaut am Ende auch reflektierend zurück: sie sieht, dass es gut war, dass Frau Trauer eingezogen ist und sie „ihr die Tür öffnen“ konnte. Sie nimmt Werkzeuge wahr, die Frau Trauer ihr gegeben hat und sie merkt, dass diese oft so anstrengende Beharrlichkeit und Langsamkeit von Frau Trauer einen Sinn hatte. Am Ende geht Frau Trauer..und kommt manchmal „als Gast, der auch wieder geht“
Das Buch ist im @viertuermeverlag erschienen.
Gleich im Vorwort wird der systemische Trauerbegleiter Roland Kachler zitiert: "Unsere Trauerpsychologie ist keineswegs geschlechtsneutral, sondern sie ist weiblich"
Und genau deshalb ist dieses Buch so wichtig - von einem Mann geschrieben über die Trauer von Männern.
Oft haben Frauen den Eindruck, Männer würden gar nicht trauern, weil die Ausdrucksstärke in der Regel viel geringer ist bei ihnen: sie fassen seltener in Worte, was sie fühlen, sie drücken sich weniger aus.
Aber trauern sie deshalb weniger? Wie trauern Männer?
Erstaunlich ist, dass wir darüber wirklich wenig wissen, denn es gibt keine wissenschaftlichen Studien dazu und so gesteht auch Autor Thomas Achenbach ein, dass er bei vielen Themen im Spekulativen bleibt. Dem Buch tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil ist es hilfreich und aufschlussreich für Fachpersonal und auch für Betroffene. Ob sich Männer darin wiederfinden kann ich natürlich nicht beurteilen, aber ich würde es vermuten. Für die Partnerinnen kann es ebenso gut sein, sich mit der männlichen Trauerverarbeitung zu beschäftigen. Gut ist an dem Buch auch die Praxisorientierung: "was kann hilfreich sein?", "Wie finde ich passende Angebote zur Begleitung?" etc.
Ich hoffe, wir werden in Zukunft mehr solcher Bücher lesen dürfen und die Trauer der Männer und in unserem Fall der Sternenkindväter wird wichtig, wahr- und ernstgenommen.
"Männer trauern anders", Thomas Achenbach (Redakteur, Blogger, Podcaster und Trauerbegleiter. www.thomasachenbach.de
Patmos Verlag 2022
Hinweis: Dieser Text wurde ist erstmals erschienen auf www.sternenkindfamilie.de
Kurse und Angebote für Sternenkindväter in München gibt es beim Haus der Familie: www.hausderfamilie/sternenkinder
Ich freue mich, dass ich Eva als Expertin für dieses Buch immer wieder beraten durfte und auch ein Interview geben durfte:
Liebe Eva, du hast
gestartet mit einer Menge an Ideen und Fällen, die du beleuchten willst und ich erinnere mich an
die ersten Gespräche mit dir. Du hast alle Infos aufgesaugt und das wundert mich nicht, wenn ich
es jetzt lese. Jetzt ist aus deiner intensiven Recherche ein unfassbar dichtes Werk geworden. Ein
scheinbar dünnes Buch mit verdichtetem Inhalt auf jeder Seite. Du hast es geschafft, so viele
Aspekte der strukturellen Probleme um das Thema Fehl- und Totgeburt zu beleuchten, dass man
das Gefühl hat, aus jedem Kapitel könnte man ein eigenes Buch schreiben. Ein so wertvoller Titel
- denn es ist dir gelungen, emotional und gleichzeitig rational zu zeigen, wo wir Verbesserungsbedarf haben. Die Argumentationslinie ist eindeutig. Schön, dass ich Teil deines Projekts sein durfte und ich hab die Danksagung wohl gelesen. Danke dir für dieses Buch, das als Grundlage für viele Talkshows dienen könnte, wenn es das Thema auf diese Bühne schafft. Ich hoffe du wirst zahlreich eingeladen! Ein Must-read für alle, die politisch etwas bewegen wollen... im Kleinen wie im Großen. Denn Privates ist politisch, wenn es um Fehlgeburt und Stille Geburt geht."
Diesen Text habe ich zuerst für die Online-Plattform www.sternenkindfamilie.de verfasst.
"Wir müssen nicht den kürzesten Weg nehmen.
Lass uns lieber einen Weg wählen, den wir gerne gehen würden,
lass uns freundliche Begleiter mitnehmen zum
Schwatzen und Lachen,
lass uns wunderbare Pausen einlegen."
(Jochen Mariss)
Die Betitelung „Ratgeber“ passt für mich nicht ganz: ich würde es eher einen guten Begleiter nennen. Es ist voller hilfreicher Impulse und Ansätze für die Begleitung in der Folgeschwangerschaft und arbeite selber gerne damit in den Beratungen. Auch vor der Folge-Schwangerschaft kann man schon gut drin lesen und vor allem das Kapitel zum Thema Ängste kann ich total unterstreichen – z.B. die Unterteilung in die Angst als notwendiges und wichtiges Gefühl, damit wir auf eine Gefahr reagieren können und und die Ängste, die uns nur in Gedankenkreisel entführen erlebe ich oft als hilfreiches Tool für die Mütter.
Eine Kritik habe ich zur Aussage, dass die Angst auch schädlich für das Kind wäre. Das finde ich sehr problematisch, weil es die Mütter unter Druck setzt. Aber das nur der Vollständigkeit halber.
Das Buch ist ein wirklich gut durchdachtes „Arbeitsbuch“ und gibt auch viele Impulse, sich Dinge tatsächlich konkret aufzuschreiben, Gefühle zu reflektieren und konkrete Partnerübungen. Das Buch arbeitet mit dem Thema Achtsamkeit, das für eine Folgeschwangerschaft so zentral ist – immer wieder sich zu spüren, den Körper und die Gefühle wahrnehmen, eine Verbindung zu dem Baby spüren, den Ängsten ihren Platz geben, aber auch die guten Momente bewusst wahrnehmen und akzeptieren, was wir nicht beeinflussen können. Ich empfehle das Buch auch in den Fortbildungen für Fachpersonal rund um die Folgeschwangerschaft, die Übungen für Einzelsitzungen oder Kurse rauspicken wollen. Es spiegelt so sehr meine eigene Beratungshaltung wieder: wir können nicht sagen „dieses Mal geht alles gut“, aber wir können immer jeden Tag wahrnehmen, was gerade ist und so Schritt für Schritt weitergehen und immer wieder eigene Ressourcen aufspüren, die beim Weitergehen helfen.
Diese Rezension habe ich zuerst für die Online-Plattform www.sternenkindfamilie.de verfasst.